Handystrahlen dringen ungehindert in den Kopf

Schnurlostelefone, Handys, Sendemasten - das Gehirn ist fast pausenlos digitalen Mikrowellen ausgesetzt. Forscher schlagen Alarm: Die Strahlen durchdringen den Kopf und zerstören bei Tieren Hirnzellen.

Experte Wolfgang Maes beantwortet Leserfragen - aufgezeichnet von Thomas Grether

Durchdringen die Strahlen von Handys und Sendemasten auch Mauern?

Ja, sonst könnten wir in Häusern nicht telefonieren. Massive Bausubstanz reduziert die Strahlung jedoch, eine Kalksandsteinwand zum Beispiel lässt noch 20 bis 40 Prozent durch, eine dicke Ziegelsteinwand und Stahlbeton noch 10 bis 20 Prozent. Normalglas und Leichtbauweisen aus Holz oder Gips schützen dagegen fast gar nicht, sie lassen über 99 Prozent der Strahlung von aussen ins Haus oder von drinnen nach draussen.

Schütze ich mich vor der Handystrahlung, wenn ich einen Ohrstecker verwende, der mit einem dünnen Kabel mit dem Handy verbunden ist?

Nein. Mit dem «Knopf im Ohr» belastet man sein Hirn ähnlich oder noch stärker als mit dem Handy. Die Strahlung des Handys wird per Kabel zum Ohrstecker weitergeleitet und dringt durch die Ohröffnung ungehinderter in den Kopf als durch den Schädelknochen. Mit Ohrstecker kann es im Kopf sogar eine stärkere Belastung geben. Besser: Wenig telefonieren, daheim das Handy an eine im Handel erhältliche Antenne anschliessen. Diese lässt sich per Kabel draussen vor dem Fenster platzieren und die Strahlung so minimieren. Auch aufs Autodach sollte man eine Antenne montieren lassen.

Ich habe im Auto ein eingebautes Handy mit Aussenantenne und Freisprecheinrichtung. Wie stark ist die Strahlung im Auto drin?

Sie ist viel geringer als mit der im Handy integrierten Antenne am Ohr. Diese Art des Handytelefonierens ist die unbedenklichste. Der Abstand zur Funkantenne auf dem Autodach reduziert die Stärke der Strahlen, und das Blechdach schirmt zusätzlich nach innen ab. Ohne Aussenantenne muss das Handy oft seine volle Leistung brauchen, weil es die Verbindung durchs Autoblech hindurch aufrechterhalten muss.

In Tram, Zug oder Bus telefonieren viele mit dem Handy. Bin ich von dieser Strahlung betroffen?

Ja, je nach Abstand zum Handytelefonierer mehr oder minder stark. In mit Metall umgebenen Innenräumen wie Tram oder Bus sind Sie sogar besonders stark betroffen. Die Handystrahlung wird von den Wänden nach innen reflektiert, das Handy muss seine Leistung maximal ausschöpfen, um überhaupt durch das stark abschirmende Metall nach draussen zu gelangen.

Wie erkenne ich, ob ich ein digitales Schnurlostelefon habe, das schädliche Strahlen abgibt?

Digitale Schnurlostelefone werden von allen Herstellern nach einem Standard gebaut, der Dect heisst. Das steht meist auf den Verpackungen oder den technischen Seiten der Gebrauchsanleitungen. Wenn nicht, müssen Sie die Verkäufer fragen. Vorsicht: Die Basisstationen (nicht die Handgeräte) solcher Dect-Telefone strahlen pausenlos, und das ein paar hundert Meter weit, Tag und Nacht, auch wenn Sie gar nicht telefonieren. Stellen Sie sie an einen Ort, an dem sie sich selten aufhalten.

Was kann ich tun, wenn das Geschäft mein Schnurlostelefon nicht zurücknehmen will?

Geschäfte müssen es nicht zurücknehmen. Schnurlostelefone sind auf dem Markt zugelassen. Doch nicht alles, was es zu kaufen gibt, ist zwangsläufig auch gesund.

Welches schnurlose Telefon empfehlen Sie für zu Hause?

Alle Schnurlosen, die nach Standard CT1+ funktionieren. Sie funken mit vergleichsweise niedrigerer Intensität, und das zudem mit biologisch verträglicherer Strahlung, das heisst analog und nicht gepulst. Zudem funken sie nur, wenn wirklich telefoniert wird, sonst nicht. Solche Geräte nach CT1+ werden auf dem Markt leider immer rarer. Kleine Radio- und TV-Geschäfte, aber auch Discounter haben sie im Angebot. Das Problem: Ab dem Jahr 2005 werden CT1+-Schnurlostelefone zwar nicht verboten, aber störanfällig, weil die Telekom-Industrie auf ihren Sendefrequenzen dann auch Handys betreiben wird. Noch besser deshalb: Kabeltelefone verwenden, die funken gar nicht.

Wir haben ein digitales Kabeltelefon, dazu ein separates Handgerät. Strahlen diese Geräte auch?

Ja. Beide Geräte strahlen. Solche Kombigeräte ermöglichen einerseits das Gespräch mit Schnur, andererseits halten sie auch ein schnurloses Handgerät bereit. Auch das sind Dect-Systeme, die pausenlos strahlen, ob man das Schnurlose nutzt oder nicht. Nur ein digitales Kabeltelefon ohne Handgerät strahlt keine Funkwellen ab.

Strahlen Handys und Schnurlose auch, wenn man nicht telefoniert?

Handys strahlen vor allem, wenn man telefoniert. Wenn nicht, nehmen sie alle paar Minuten kurz Kontakt zum nächsten Sendemast auf, dies aber mit maximaler Leistung. Ganz ausgeschaltet strahlt ein Handy überhaupt nicht mehr. Die Basisstationen der schnurlosen Dect-Haustelefone strahlen immer, die Dect-Hörer nur, wenn man mit ihnen telefoniert.

Ich bin aus beruflichen Gründen aufs Handy angewiesen. Welches gilt derzeit als am wenigsten schädlich?

Das ändert sich ständig. Achten Sie auf einen möglichst niedrigen SAR-Wert. Er beschreibt, wie viel Leistung der Funkwellen vom Benutzer pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen wird.

Der SAR-Wert wird bei Tests in den Fachzeitschriften immer wieder erwähnt. Sie können ihn auch im Internet abrufen (unter www.handywerte.de, www.bfs.de, www.bemi.se).

Aber: Man kann hier nur von mehr oder weniger strahlungsintensiv sprechen, nicht etwa von strahlungsarm.

Im Handel werden eine Vielzahl von Produkten angeboten, die die schädlichen Handystrahlen abschirmen oder zumindest verhindern sollen. Ist dies überhaupt möglich?

Meistens nein. Ein Vergleich von über 50 solcher Entstör- oder Harmonisierungsgeräte, die zurzeit auf dem Markt sind, zeigt, dass sich sowohl ihre Strahlungsart wie auch ihre Stärke gleich bleiben. Vorsicht: Geschäftstüchtige Hersteller versprechen darüber hinaus positive Energien, die per Elektrosmog zum Menschen gelangen sollen. Hier wird der schädliche Elektrosmog zum gewünschten Vehikel für heilbringende Kräfte. Das ist Scharlatanerie.

Zur Person des Experten:

Der Baubiologe Wolfgang Maes ist ein ausgewiesener Fachmann für Elektrosmog. Für die deutsche Verbraucherzeitschrift «Öko-Test» misst er seit Jahren die Strahlung von Handys und Schnurlostelefonen. Maes hat zum Thema Elektrosmog mehrere Fachbücher veröffentlicht.

Quelle: Puls-Tipp 9/03 vom 10. September 2003